Der ehemalige Salzige See im Mansfelder Land
von Dr. Martin Trost (Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt)
Projekt „Naturschutzfachliche Untersuchungen am ehemaligen Salzigen See“
Das Verschwinden des Salzigen Sees gegen Ende des 19. Jahrhunderts war eine der gravierendsten Umweltkatastrophen in Mitteldeutschland. Etwa 90 Jahre später nahmen Vorstellungen, den Salzigen See in seiner ehemaligen Gestalt wiederentstehen zu lassen, in der Region genauere Gestalt an. Das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt begann frühzeitig, die naturschutzfachlichen Aspekte dieses ehrgeizigen und hochkomplexen Plans zu untersuchen. Zwischen Mitte und Ende der 1990er Jahre wurde ein umfassendes Projekt zur Untersuchung und Bewertung von Fauna, Flora und Vegetation des Gebietes eingeleitet, das letztlich zu Empfehlungen für eine naturschutzfachlich möglichst verträgliche Wiederentstehung des Sees führte. Aus unterschiedlichen Gründen wurde das Projekt der Wiederentstehung des Salzigen Sees nicht verwirklicht. Nichtsdestotrotz lieferten die in vielerlei Hinsicht beispielhaften Untersuchungen einen faszinierenden Einblick in die biologische Vielfalt des Gebietes und beschreiben Historie und langfristige Auswirkungen eines in Europa einmaligen Eingriffs in den Landschafts- und Naturhaushalt.
Übersichtskarte über das Gebiet des ehemaligen Salzigen Sees
Verschwinden des Salzigen Sees
Das Verschwinden des Salzigen Sees wurde durch großräumig wirksame, tiefgreifende Entwässerungen des Mansfelder Kupferschieferbergbaus verursacht. Landschaftsökologische Folgen der bergbaulichen Wasserhaltung zeichneten sich langfristig ab - z. B. durch sinkende Wasserstände im Salzigen See und versiegende Quellen - und erreichten einen dramatischen Höhepunkt, als nach starken Wassereinbrüchen im Mansfelder Bergbaurevier im Jahr 1892 der Wasserspiegel des Salzigen Sees drastisch absank, so dass der See schließlich bis auf wenige Restgewässer künstlich trockengelegt und ab 1895 in landwirtschaftliche Nutzung genommen wurde. Das sich nach der Trockenlegung weiterhin am ehemaligen Seeboden ansammelnde Wasser wird bis heute über ein Grabensystem abgeleitet und in die Salza gepumpt. Dieser drastische landschaftsökologische Eingriff hatte auch den weitestgehenden Verlust nicht nur des Gewässers, sondern auch der Verlandungs- und sonstigen Feuchtvegetation einschließlich der primären Salzstelle bei Erdeborn zur Folge. Damit einher gingen lokale Aussterbevorgänge mehrerer halophiler und halobionter, aber auch nicht salzgebundener hygrophiler Arten. Neben dem Verlust des Sees fanden aber auch langfristige Änderungen der landwirtschaftlichen Landnutzung statt, die ebenfalls Auswirkungen auf Arten und Lebensgemeinschaften hatten.
Wiedervernässung im Becken des ehemaligen Salzige Sees
Im Jahr 1970 stellte man die Zwangswasserhaltung im Mansfelder Kupferschieferrevier ein, als der Kupferschieferbergbau komplett zum Erliegen kam. Als Resultat stieg der Grundwasserstand in der gesamten Mansfelder Mulde an. Dies führte einerseits zur Zunahme der Schüttung von Salzquellen und infolge dessen zu punktuell erhöhtem Salzeinfluss, andererseits zu großflächigen Vernässungen im Becken des ehemaligen Salzigen Sees und im Salzatal einschließlich diffuser Salzwasserzuflüsse. Östlich von Langenbogen bildeten sich ausgedehnte Flachgewässer mit schwankenden Wasserständen und z. T. breiten Röhrichtgürteln heraus – Äcker und bei Langenbogen auch eine Kleingartenkolonie mussten aufgegeben werden. Im Becken des ehemaligen Salzigen Sees hat sich ein kleinräumig verzahntes Mosaik aus Äckern, Wirtschaftsgrünland, Brachen und diffus salzbeeinflussten Flachgewässern mit eutropher Verlandungsvegetation und temporären Schlammfluren etabliert. Punktuell ist die Salzbeeinflussung aufgrund von Salzquellen erhöht, Verdunstung in Trockenperioden trägt zur Aufkonzentration der Salze in Uferbereichen bei.
Die Wiedervernässungsvorgänge gaben den Anlass zu dem Projekt der geplanten Wiederentstehung des Salzigen Sees, das aber mittlerweile nicht mehr konkret weiterverfolgt wird.
Vegetation, Flora und Fauna
Für die Untersuchungen und Bewertungen wurde ein engeres Untersuchungsgebiet mit dem Becken des ehemaligen Salzige Sees und seinem unmittelbaren Randbereich und ein weiteres Untersuchungsgebiet, d.h. das Umfeld des Süßen und des ehemaligen Salzigen Sees sowie des Tal der Salza bis zu ihrer Einmündung in die Saale, unterschieden. Im engeren Untersuchungsgebiet erfolgten intensive Bestandsaufnahmen, so z.B. eine detaillierte Vegetationskartierung, Vegetationserhebungen und zoologische Erfassungen auf Dauerbeobachtungsflächen (Monitoring), Untersuchungen zur Röhrichtentwicklung und für das Gesamthabitatinventar repräsentative faunistische Inventarisierungen. Die Tabelle gibt eine Übersicht zu den Artenzahlen der unterschiedlichen Taxa, bei denen die Entomofauna eine Hauptrolle spielte.
Artengruppe |
Artenzahlen im Untersuchungsraum (1999)
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engerer Untersuchungsraum
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gesamter Untersuchungsraum
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Gefäßpflanzen (Pteridophyta & Spermatophyta) |
623
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923
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Mollusken (Gastropoda & Bivalvia) |
69
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98
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Webspinnen (Araneae) |
172
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204
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Libellen (Odonata) |
24
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31
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Heuschrecken (Ensifera & Caelifera) |
25
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32
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Wanzen (Heteroptera) |
37
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37
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Laufkäfer (Coleoptera: Carabidae) |
231
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272
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Wasserkäfer (Coleoptera: div. Fam.) |
99
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144
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Kurzflügler (Coleoptera: Staphylinidae) |
181
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294
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Rüsselkäfer (Coleoptera: Curculionidae) |
134
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182
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Wildbienen (Hymenoptera: Apidae) |
87
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211
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Zikaden (Auchenorrhyncha) |
71
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167
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Großschmetterlinge (Lepidoptera) |
101
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319
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Zweiflügler (Diptera: Empidoidea) |
149
|
189
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Lurche (Amphibia) |
9
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11
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Vögel (Aves) |
130
|
149
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Es zeigte sich, dass das Gebiet des ehemaligen Salzigen Sees sowie der Mansfelder Seen insgesamt über eine enorme biologische Vielfalt verfügt und zu den wohl artenreichsten Räumen Mitteldeutschlands zählen kann. Das Gebiet ist besonders reich an arealkundlichen Besonderheiten, z.T. ausgesprochenen Raritäten - ein Umstand, der bereits zur historischen Berühmtheit des Salzigen Sees unter Faunisten und Floristen führte. Von besonderer Bedeutung sind heute:
- Salzbeeinflusste Habitate. Trotz erheblicher Habitatverluste am Ende des 19. Jahrhunderts stellt das Becken des Salzigen Sees sowie sein unmittelbares Umfeld mit Feuchtgebieten und Restgewässern eine der reichsten Binnenlandsalzstellen Mitteleuropas dar.
- Feuchtgebiete und ausgedehnte Verlandungsbereiche mit dynamisch schwankenden Wasserständen
- Xerothermhabitate an den Hangbereichen im Norden des Seebeckens.
Prognose der Auswirkungen der geplanten Flutung
Für eine Prognose der Auswirkungen der geplanten Flutung wurde im Wesentlichen versucht, aus der zu erwartenden Habitatausstattung und auf Grundlage der Kenntnis der Habitatbindung auf die Bestandssituation der Arten im Seebecken zu schließen. Wegen nicht unerheblicher Unsicherheiten der Rahmenbedingungen der Flutung (zeitlicher Ablauf, Wasserstände etc.) sowie auch aufgrund von faunistisch-ökologischen Kenntnisdefiziten stellte dies eine schwierige Aufgabe dar.
Auf Basis der Prognosen wurden Empfehlungen für das Flutungsvorhaben, insbesondere für notwendige begleitende Maßnahmen und Vorkehrungen vorgenommen.
Weiterführende Literatur (Auswahl)
Projektberichte
Die Berichte zum Projekt liegen im Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt vor.
Übersichtspublikation
Der Salzige See. - Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 37 (Sonderheft 2000): 1-72.
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Inhalt: · Einführung |
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Literatur zur aktuellen Entomofauna des Gebietes:
Al Hussein, I. A. (2000): Zur Spinnenfauna (Arachnida, Araneae) des ehemaligen Salzigen Sees. - Hercynia N.F. 33: 281-292.
Trost, M. (2004): Die Habitatbindung und Phänologie der halophilen und halobionten Laufkäfer (Coleoptera, Carabidae) im Gebiet der Mansfelder Seen im Süden Sachsen-Anhalts. - Abh. Ber. Naturkunde 27: 133-163.
Trost, M. (2006): Die historische und aktuelle Bestandssituation der halobionten und halophilen Laufkäferfauna (Coleoptera, Carabidae) im Gebiet der Mansfelder Seen westliche von Halle/Saale (Sachsen-Anhalt). - Hercynia N.F. 39: 121-149.
Trost, M., Schnitter, P. H. & Grill, E. (1996): Zur Bedeutung von Salzhabitaten am ehemaligen Salzigen See aus entomofaunistischer Sicht am Beispiel der Laufkäfer (Coleoptera, Carabidae). - Entomol. Mitt. Sachsen-Anhalt 4: 22-27.
Trost, M., Schnitter, P. H. & Grill, E. (1999): Untersuchungen zur aktuellen Laufkäferfauna (Coleoptera: Carabidae) des ehemaligen Salzigen Sees im Mansfelder Land (Sachsen-Anhalt). - Hercynia N. F. 32: 275-301.
Fotos
Flachgewässer mit ausgedehnten, salzbeeinflussten Schlammflächen und Röhrichten im Becken des ehemaligen Salzigen Sees bei Eisleben (Foto: M. Trost 2005)
Lehmabgrabung südlich von Aseleben
Trockenhänge am Rand des ehemaligen Salzigen Sees südlich von Aseleben